Hildegard von Bingen war die große Mystikerin und Heilerin des Mittelalters. Man bezeichnet sie auch als das “helle Gestirn am Himmel abendländischer Geistesgeschichte“.
Hildegard wurde 1098 als Kind einer Adelsfamilie in Bermersheim in Rheinhessen geboren. Als zehntes Kind ihrer Eltern wurde sie gemäß der Tradition Gott übergeben und kam mit acht Jahren in eine Klause, die sich nach einigen Jahren in ein Kloster der Benediktinerinnen entwickelte. Mit 38 Jahren, im Jahr 1136, wurde sie Äbtissin des Klosters. Während ihrer Amtszeit gründete sie zwei weitere Klöster: 1147 in Rupertsberg und 1165 in Eibingen.
Das Besondere an Hildegard von Bingen waren ihre Visionen, ihre “Gabe der Schau“, die sie eigenen Angaben zufolge in wachem Zustand empfing: “Ich sehe diese Dinge nicht mit den äußeren Augen und höre sie nicht mit den äußeren Ohren, ich sehe sie vielmehr einzig in meiner Seele, mit offenen leiblichen Augen, so dass ich niemals die Bewußtlosigkeit einer Ekstase erleide, sondern wachend schaue ich dies bei Tag und bei Nacht … Das Licht ist viel lichter, als eine Wolke, die die Sonne in sich trägt“.
Papst Eugen der III. bestätigte 1147 ihre Sehergabe und ermunterte sie, ihre Visionen niederzuschreiben. Hildegard von Bingen verfasste daraufhin drei große Visionsschriften, die zur Grundlage ihrer Lehre wurden:
- Liber Scivias - Wisse die Wege (1141–1151)
- Liber vitae meritorum - Das Buch der Lebensverdienste (1148–1163)
- Liber divinorum operum - Das Buch der göttlichen Werke (1163–1173/74)
Charismatische Heilung
Hildegard von Bingen war von eher schwacher, kränklicher Natur, so dass beispielsweise schon das Niederschreiben ihrer Visionen ihr große körperliche Mühen bereitete. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen fand sie die Kraft, ihren Mitmenschen zu helfen und sie zu heilen. Ihre Heilerfolge beruhten dabei nicht nur auf ihrem umfangreichen Wissen, ihrer Hingabe und umfassenden Pflege der Kranken, sondern man war überzeugt, sie erreichte die Heilung der Menschen mit Gottes Hilfe: Gott gewährte dem Menschen Heilung aufgrund Hildegards Fürsprache. Die Person der Hildegard von Bingen war damit für die Menschen, die sie um Hilfe ersuchten, von mindestens ebenso großer Bedeutung wie ihre Lehre.
Ihre medizinischen Werke
Ihre naturkundlichen Forschungen hielt Hildegard von Bingen in umfassenden Schriften für die Nachwelt fest. Ihre wichtigsten Werke sind dabei die "Naturlehre" ("Physica") und das "Heilwissen" ("Causae et curae"). Sie geben einen Einblick in ihr umfangreiches Wissen und sind noch heute eine wichtige Quelle für Fachwissen und Erfahrungen in der modernen Naturheilkunde.
Vor allem die "Naturlehre" ist dabei ein Zeugnis der tiefen Liebe Hildegards zur Natur und damit zu Gott als ihrem Schöpfer. Als notwendige Ergänzung zum "Heilwissen" verbindet das Werk theologische, naturkundliche, kosmologische, anthropologische, pathologische und therapeutische Inhalte zu einer ganzheitlichen Einsicht. Wichtig ist daher, die Werke der Hildegard von Bingen im Zusammenhang mit ihrem Gesamtwerk sowie ihrem Welt- und Gottesbild zu betrachten.
Hildegard von Bingen starb am 17. September 1179.